THE SECOND CHANCE

or the great repair of a gift you can’t refuse

Kurz vor Weihnachten des vergangenen Jahres erhielt der Bürgermeister Georg Willi im Namen der Stadt Innsbruck, vom Landeshauptmann Anton Mattle ein Geschenk, das es in sich hat: die denkmalgeschützte Rotunde, das ehemalige Riesenrundgemälde im Innsbrucker Saggen.

Seit der Übersiedelung des Riesenrundgemäldes ins Tirol Panorama am Bergisel vor 13 Jahren steht die Rotunde nun leer und ist dem Verfall ausgeliefert. Zahlreiche Studien und Diskussionen über die Nutzung des denkmalgeschützten Gebäudes führten bis heute zu keinem konkreten Ergebnissen.

1907 wird die Rotunde am Innsbrucker Rennweg, geplant von Josef Retter, errichtet um dem 1896 von Michael Diemer angefertigten Rundgemälde zur 3. Bergiselschlacht eine Raumkulisse zu bieten.

Nach einer zwischenzeitlichen Leihgabe des Gemäldes an den Wiener Prater wird die Rotunde mitsamt des Rundgemäldes 1924 an den Innsbrucker Gastwirt Josef Hackl versteigert, anschließend saniert und um eine gastronomische Nutzung erweitert. 1970 kauft die Raiffeisen Landesbank Tirol die Rotunde und nimmt eine Generalsanierung vor. Als eines von weltweit 28 noch existierenden Panoramen aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg zählte das Rundgemälde in der Rotunde bis 2010 zu den letzten 3 im Originalgebäude erhaltenen Rundgemälden.

Durch den Neubau das Panorama Museums und die damit einhergehende Übersiedlung des Rundgemäldes an den Bergisel verliert die damit leere Rotunde schlagartig an Bedeutung und wird zu einem Rahmen ohne Leinwand.

Dass das sanierungsbedürftige Gebäude auch bei einer kostenlosen und lastenfreien Schenkung eine finanzielle Herausforderung für die Stadt darstellt, steht außer Frage, genauso wie das Wissen um das Potenzial dieses Ortes und dass man dieses Geschenk nicht zurückweisen kann. Ist doch das denkmalgeschützte Gebäude eigenartig und widerständig genug, um eine zweite Chance zu verdienen und die Adresse, unmittelbar am Inn gelegen, eine der besten der Stadt. Angrenzend an die Talstation der alten Hungerburgbahn und in unmittelbarer Nähe zur Mittelschule Kettenbrücke, dem Gymnasium Kettenbrücke und dem Katholischen Oberstufen-Realgymnasium birgt dieser Ort ein enormes Potential um auch jüngere Generationen zu erreichen.  Diese Faktoren lassen auf ein Ensemble hoffen, dass eine Strahlkraft entwickeln könnte, weit über die Grenzen der Stadt hinaus.

Vor diesem Hintergrund wendet sich die Stadt an das ./studio3 und seine Studierenden mit der Idee das Areal intensiv zu studieren und die Möglichkeiten eines Zentrums für Jugendkultur, zu entwickeln. Dabei werden Entwürfe erarbeitet, die sowohl das Riesenrundgemälde, die Hungerburgbahntalstation als auch den Platz dazwischen, in eine neue Zukunft denken.

Sowohl die angedachte Nutzung als auch die beschränkten Mittel und das Bewusstsein für die gegenwärtigen Herausforderungen Verlangen nach Wiederaneignung, Solidarität, Pluralität und Suffizienz. Strategien des Reparierens, wie sie in den Ausgaben 250 und 253 des ARCH+ Magazins unter dem Titel The Great Repair diskutiert werden.

The Great Repair schlägt einen reparativen Ansatz vor, der die regenerative Transformation hin zur Verbesserung, der Rückkehr zu einem idealisierten Originalzustand, vorzieht. Der Begriff “Reparatur” ist mit dem Konzept der Wiedergutmachung verknüpft und unterstreicht, dass jeder davon betroffen ist. Die Idee der Revolution wird als eine interstitielle Veränderung betrachtet, die das Neue aus den Zwischenräumen des Alten schafft. Die Reparatur, die grundsätzlich nicht konsumorientiert ist, zielt darauf ab, Dinge für die Wiederverwendung bereit zu machen, ein kritisches Bewusstsein für Schäden zu fördern und eine Veränderung der Produktions- und Nutzungspraktiken anzuregen. Die Anerkennung des Irreparablen ist dem Akt der Reparatur inhärent und unterstreicht, wie wichtig es ist, Narben sichtbar und Erinnerungen lebendig zu halten. Reparatur, die als aktive Form der Wiedergutmachung verstanden wird, erfordert die Berücksichtigung von Fragen der sozialen und ökologischen Gerechtigkeit.

Für das Arbeiten mit Bestand bedeutet das – im buchstäblichen wie übertragenen Sinne – weniger Denkmalpflege und mehr Substanzpflege. Dabei werden die vorhandenen materiellen Artefakte und das ökologische und soziale Gefüge als Ausgangspunkt akzeptiert, ohne eine rückwärtsgewandte Restauration oder unkritische Übernahme zu betreiben.1

Die Einführung findet am 07.03. um 10:00 Uhr am studio3 statt.

1 Quelle: Florian Hertweck, Christian Hiller, Markus Krieger, Alex Nehmer, Anh-Linh Ngo, Milica Topalović: „Politiken einer Reparaturgesellschaft“, in: ARCH+ 250 The Great Repair – Politiken der Reparaturgesellschaft 

Link: https://archplus.net/de/archiv/ausgabe/250/,  

Florian Hertweck, Christian Hiller, Felix Hofmann, Markus Krieger, Marija Marić, Alex Nehmer, Anh-Linh Ngo, Milica Topalović, Nazlı Tümerdem: „Editorial“, Editorial, in: ARCH+ 253 The Great Repair – Praktiken der Reparatur (DE/EN)
Link: https://archplus.net/de/archiv/ausgabe/253/

Images: Julius Kress

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